2002/2003

Die Saison 2002/2003 – eine gelungene Achterbahnfahrt
Ob der geschätzte Leser auf Anhieb weiß, was unter einer „Erregungsrate“ zu verstehen ist? Nein, aus dem weiten Feld des Erotischen ist der Begriff diesmal nicht entlehnt. Anbieter von Achterbahnen wollen mittels solch eines imaginären Wertes den Rummelplatzbesuchern (freilich mehrheitlich jenen in den mondänen wie gigantischen Parks jenseits des Atlantiks) die Qual der Wahl etwas erleichtern. Die „Fliegende Achterbahn“ zum Beispiel bringt es auf 8,4 dieser Skala, während die „Hängende Einschienenbahn“ gerade mal zwischen schlappen 5,8 bis 6,2 pendelt.
Die Handballer des HV Haselbachtal Kamenz schafften es bei ihrer ersten Abenteuertour durch Sachsens Oberliga auf 7. Keine „Erregungsrate“, sondern der schlussendliche Tabellenplatz. Siebter von vierzehn. Da kann letztendlich noch und nöcher philosophiert werden: Dieser Zieleinlauf war, schon gar nicht in seiner souveränen Art und Weise, so bestimmt nicht vorhersehbar und stellt dem Team, den Trainern sowie allen Verantwortlichen und Helfern im Umfeld ein prima Zeugnis aus. Glückwunsch deshalb auch von dieser Stelle (dem journalistischen Begleitpersonal) aus an die Sportler mit dem kreisrunden blau-weißen Emblem auf der gestärkten Brust.
Als am 15. September des Vorjahres der erste Anpfiff ertönte, war die Aufstiegseuphorie längst einer nüchternen Sichtweise gewichen. Zumal die Vorbereitung alles andere als optimal verlief. Da häufte sich überraschend das Verletzungssyndrom: Akteure wie Mirko Herrmann (den gerade zum neuen Kapitän ernannten Gersdorfer erwischte es besonders hart; er fiel die ganze Saison aus), Marco Haase, René Schubert oder Rico Rudolph standen dem Trainergespann Mainitz/Denecke entweder gar nicht oder nur teilweise zur Verfügung. Die verheerende Flut besorgte quasi den Rest. Nicht allein, weil die in Dresden beheimateten Jörg Maxwitat und Frank Hänsch dadurch mit ganz anderen Problemen konfrontiert wurden. Nein, auch das geplante Trainingslager im erzgebirgischen Flöha fiel dem Hochwasser zum Opfer. Zwar fand die Vereinsspitze schnellen Ersatz im brandenburgischen Groß Köris, aber eine ideale Fitmachung für Kommendes sieht mit Sicherheit anders aus.
Am ersten Spieltag konnte das Trainerduo dann aber doch mit einem halbwegs gesundeten Kader aufwarten, zu dem auch der einzige, allerdings durch den Weggang von Jens Läsker (Studium in Salzgitter) auf der Spielgestalterposition eminent wichtige Neuzugang Petr Korbel gehörte. Und die Prager „Zaubermaus“ legte ebenso wie seine Mannschaftskameraden einen Traumstart hin: Die Routiniers des HSV Dresden quittierten über eine unerwartete 24:28-Niederlage. Achtmal Lochunko und fünfmal Maxwitat – die Halle am Flugplatz stand Kopf. Nicht zum letzten Mal im Saisonverlauf. Dass die Folgewoche eine Niederlage in Pirna bescherte, war einkalkuliert; weniger freilich, dass die späteren Auswärtsauftritte so ganz und gar im krassen Widerspruch zu den Partien in heimischer Umgebung stehen sollten.
So wurde diese Spielzeit 2002/03 dann doch zu einer eingangs also ganz bewusst angesprochenen Achterbahnfahrt. Niemand selbst von den kühnsten Enthusiasten hätte Punktgewinne bei derart hochkarätig besetzten Vertretungen wie dem HC Dresden oder dem LVB Leipzig erwartet. Indes erschreckten die saftigen 27:37- und 25:44-Pleiten an der Bodenbacher Straße bzw. in der Messestadt erheblich. Andererseits war auch nicht damit zu rechnen gewesen, dass sämtliche Kontrahenten der Hinrunde – darunter der HSV Glauchau – als Verlierer die Heimreise aus der Lessingstadt antreten würden. Schon zu Halbzeit war der Liga bewusst, dass beim Neuling die Trauben ungewohnt hoch hängen.
Es war Bernd Mainitz, der auch gegenüber der Presse immer wieder betonte, dass es für (Teil-)Erfolge in fremden Gefilden einen Reifeprozess benötige. Erste Früchte trug dieses Vertrauen in die eigenen Qualitäten ausgerechnet beim schweren Gastspiel in Delitzsch, wo die gastgebende Concordia-Zweite nur mit Hilfe der Unparteiischen ihrer haushohen Favoritenrolle gerecht werden konnte. Es sollte übrigens das einzige Match im Saisonverlauf bleiben, bei dem den Referees ganz schlechte Noten erteilt werden mussten.
Das Warten auf ein Happyend auf Gegners Terrain hatte dann beim ersten Spiel des neuen Kalenderjahres ein Ende: In der Prohliser Halle Gamigstraße konnten die Kamenzer auch den Rückkampf gegen den HSV Dresden knapp mit 25:24 für sich entscheiden. Und als eine Woche später mit dem ESV Lok Pirna ein weiterer Großer der Staffel besiegt wurde (31:28), sprach im HVH-Lager keiner mehr vom Abstieg. Eigentlich war selbiger ohnehin kaum ein Thema gewesen, aber Neuling bleibt nun einmal vorläufig Neuling. Und dass man in dieser „Funktion“ auch einmal zu Hause Federn lässt, machte den Hutberg-Boys ausgerechnet Langzeitrivale und Vorsaisonaufsteiger Neudorf/Döbeln Ende Januar schmerzhaft bewusst.
Sie ging also weiter, die Berg- und Talfahrt, wenn auch nunmehr mit umgekehrten Vorzeichen: Mit dem HC der Landeshauptstadt, der zeitig als Meister feststehenden Leipziger SG LVB und Delitzsch II. punkteten jetzt die „Klassenprimuse“ im Kamenzer Norden – wenn auch nach zumeist sehr spannenden Wettkampfminuten -, während die vermeintlich leichteren Auswärtsaufgaben mit Ausnahme von Glauchau (da sowieso nicht) und Zwickau souverän gelöst wurden. So nahm sich die Bilanz in der Fremde mit 10:16 Punkten nach schockierenden 0:12 bei Halbzeit doch noch recht passabel aus; das Heimkonto schaut sich mit 19:7 Zählern hingegen prächtig obgleich natürlich noch steigerungsfähig an.
Da wir gerade in der Statistik schmökern: Zählt man René Domsgens Mitwirkung bei der Pokalniederlage in Löbau hinzu, kamen insgesamt 20 Akteure im Dress der HVH-Ersten zum Einsatz. Alle 26 Punktspiele bestritten aber nur Kapitän Jörg Maxwitat und Matthias Hustig; lediglich einmal fehlten Stefan Habendorf sowie die beiden Stammtorhüter Kay Tomschke und Daniel Neumann. Die interne Torschützenliste führt ebenfalls ein Duett an: Sowohl Frank Hänsch als auch Petr Korbel trafen 103mal. Die meisten Treffer innerhalb einer Begegnung schaffte indes „Matze“ Hustig, der am 23. Spieltag in Oschatz 13 Tore erzielte (den Gegenrekord stellte übrigens der Concorde Stephan Fricke auf, der in Delitzsch satte 17mal das Netz im HVH-Gehäuse zum Zappeln brachte).
Personelle Veränderungen gab und gibt es im Rahmen des Machbaren. Bereits während der Saison hatte sich ja Rico Rudolph zum Nachbarn HSV 1929 Pulsnitz verabschiedet, dessen doch leicht überraschender Aufstieg der Region anno 2003/04 wieder zwei sehr reizvolle Derbys beschert. Ansonsten ist aber beim HVH nicht mit spektakulären Neuverpflichtungen zu rechnen. Dies ist weit weniger eine Frage des Geldbeutels: Der Handballverein in der Lessingstadt öffnet seine Pforten auch künftig vorrangig einheimischen Talenten. Keineswegs zufällig waren sämtliche Debütanten der beendeten Serie entweder A-Jugendliche oder Männer aus den Reihen der unlängst mit dem (Bezirks-)Double gekrönten Zweiten. Enorm zukunftsorientierte, positive Beispiele dieses Trends sind Pascal Freudenberg und Sven Schäfer. Beide Youngster brennen förmlich auf umfangreichere Bewährungschancen. Coach Mainitz hat Solchiges bereits zugesichert. Und wer den Bröthener kennt, weiß in etwa, dass er solchen Zusagen zumeist Taten folgen lässt. Damit auch ab dem kommenden Herbst für eine möglichst hohe „Erregungsrate“ gesorgt ist. Im sportlichen Sinne, versteht sich… – Freddy